Redensarten und ihre „Alibi-Funktion“ in der Hundewelt

Manche Redensarten dienen tatsächlich nur als „Legitimation“ für Besitzer von unerzogenen, unfolgsamen und in der Regel sehr großen Hunden: „Die machen das untereinander aus“ gehört als Redensart genau zu diesem Klientel.

Wir alle, die wir Hunde besitzen und lieben, gehen davon aus, daß dies auch auf unser Gegenüber zutrifft - und erwartet vom Gegenüber das gleiche Verhalten, wie es uns auszeichnet: Rücksicht, Toleranz und den Respekt im Umgang mit dem eigenen Hund, ein gewisses Maß an Erziehung UND: auf Rücksichtnahme!

Gerade wenn sehr große Hunde auf sehr kleine Hunde treffen, ist dies zum Schutz des kleinen Hundes extrem wichtig, denn dieser ist dem großen Hund körperlich derart unterlegen, daß mangelnde Rücksichtnahme des Besitzers des großen Hundes zu gefährlichen Verletzungen beim kleinen Hund führen können - und sei es tatsächlich „nur“ beim einvernehmlichen Spiel!

Wenn zwei Kinder im Sandkasten spielen und es handelt sich bei Beiden um Kinder mit einem hohen Altersunterschied, zum Beispiel ein zweijähriges Kind und ein fünfjähriges Kind spielen zusammen im Sandkasten - und der Fünfjährige würde nun anfangen, den Zweijährigen zu ärgern und mit Sand zu bewerfen.

Wie würden Sie handeln?

Würden Sie den Fünfjährigen bestärken und ihm vermitteln, daß sein Verhalten in Ordnung ist?

Würden Sie einfach zuschauen und abwarten, was passiert?

Oder würden Sie eingreifen und den Zweijährigen vor den Übergriffen des Älteren schützen?

Ich persönlich würde eingreifen und verhindern, daß der Zweijährige vom Fünfjährigen drangsaliert wird, so wie ich es auch bei meinen beiden eigenen Buben gemacht habe, als sie im Sandkasten von einem weitaus älteren Jungen schikaniert wurden.

Und ich würde die These aufstellen, daß jeder Leser so handeln wird, denn es liegt grundsätzlich in unserer Natur, einzugreifen, wenn in unseren Augen etwas nicht richtig läuft. Gemeinhin wird dies auch als „soziale Kompetenz“ bezeichnet.

Was uns aber bei Kindern so eindeutig und klar erscheint, wird in der Hundewelt von einem bestimmten Typus Hundebesitzer ganz anders dargestellt: Sie begegnen mit ihrem Welpen oder kleinen Hund auf einen sehr einschüchternden, großen und gewichtsklassenmäßig eindeutig viel zu schweren Hund, und Sie sind sich sehr unsicher, wie die Begegnung verlaufen wird - sprich, Sie haben etwas Sorge um ihren eigenen Hund.

Berechtigterweise!

Nun wird ihrer Sorge von ihrem Gegenüber mit den harschen Worten „Die machen das untereinander aus“ begegnet und ohne Rücksicht auf Verluste wird der große Hund auf ihren kleinen Hund losgelassen. Sie selbst geraten in Panik und sind Gott sei dank schnell genug, um ihren eigenen Hund aus der Gefahrenzone zu bekommen, indem Sie ihn in den Arm und damit aus der Reichweite des fremden Hundes retten.

Sie können sich ziemlich sicher sein, daß der nächste Verbalangriff nicht lange auf sich warten lässt:  „Kein Wunder, wenn diese „Trethupen“ kein soziales Verhalten lernen, wenn Sie immer gleich auf den Arm genommen werden“, kombiniert mit dem Ausspruch: „Sie haben wirklich keine Ahnung von Hunden, Sie sollten mit dem Kleinen mal eine Hundeschule besuchen!“

„Die machen das untereinander aus“ - ein Spruch, welcher nach wie vor als Lehrmeinung gehandelt wird und leider immer noch missbraucht wird, zu Lasten vieler Welpen und kleiner Hunde, denn seien wir mal ehrlich: welch reelle Chance hat denn unser kleiner Hund beim „untereinander ausmachen“ mit einem so viel größeren und schwereren Hund eigentlich?

Und WAS machen Hunde eigentlich miteinander aus und WER sind denn diese „Hunde“?

Unsere Hunde leben überwiegend in Räumen, in welchen sie allerorten Artgenossen in jeglicher Größe und allen Alters begegnen und sich NICHT heraussuchen können, wem SIE SELBST begegnen wollen und wem nicht - Hundebegegnungen sind unausweichlich in unserer Lebensgemeinschaft - gedrängter in der Stadt, etwas weniger dicht auf dem Land, aber immer so, daß Hundebegegnungen stattfinden werden.

Nun begegnen Sie mit ihrem Hund so einem Hundehalter, welcher die feste Meinung vertritt, daß Hunde „Begegnungen“ selbst ausmachen müssen/dürfen“ - und Sie lassen das tatsächlich zu: Im spielerischen Fall erwischen sie einen sogenannten „Grobmotoriker“, welcher versehentlich ihren Hund im Spiel tritt und Sie befinden sich dann auf dem Weg zum Tierarzt, da der viel zu schwere und große Hund leider eine böse Zerrung oder mehr bei ihrem Hund verursacht hat. Die Worte des Halter des großen Hundes: „Der wollte nur spielen“ helfen weder Ihnen noch ihrem Hund: Ihr Hund hat ein Trauma und wird großen Hunden möglicherweise in Zukunft ängstlich oder gar aggressiv begegnen und auch die Tierarztrechnung zahlen Sie selbst, denn beide Hunde waren unangeleint und damit ist ihr eigener Hund versicherungsrechtlich nicht geschützt.

Viel gefährlicher jedoch sind jene Hundehalter, welche große Hunde bei sich führen, aber es schon aus der Ferne erkennbar ist, daß diese Hunde nicht im Gehorsam stehen und auch keinen besonders freundlichen Ausdruck zeigen - und der Besitzer vollkommen unbekümmert in Ihre Richtung läuft und munter schon aus der Ferne kund tut: „Die machen das untereinander aus, keine Sorge“!

Ich darf Sie an das Bild vom Sandkasten erinnern mit dem zweijährigen und dem fünfjährigen Buben, welcher den Zweijährigen mit Sand bewirft - Sie haben dieses Bild im Kopf, ja? 

Sie haben nun die umgekehrte Situation vor sich, nur statt Kindern sind Hunde betroffen und in diesem konkreten Fall ihr eigener Hund: die Sandkasten Situation sieht nun so aus, daß die Mutter des Fünfjährigen seelenruhig zuschaut, wie dieser den Zweijährigen drangsaliert, während die Mutter des Zweijährigen ihr Kind zu schützen versucht und sich von der Mutter des Fünfjährigen anhören darf, daß dies zur Entwicklung der Kinder eben so gehört!

Der Besitzer des großen Hundes schaut auch ganz entspannt zu, wie sein großer Hund ganz locker „die Sache mit IHREM kleinen Hund ausmacht“, denn wenn er eines ganz sicher weiß: sein eigenen Hund kommt aus dieser Situation vollkommen unbeschadet heraus!

Und wenn Sie dann mit ihrem angeschlagenen Hund empört sind, weil der große und stürmische Hund von seinem Besitzer weder rückrufbar ist noch eine gewisse Folgsamkeit auszeichnet, dann werden Sie darauf hingewiesen, daß es ja IHR Hund war, der den großen Hund provoziert hat, denn „sein Hund“ hat fremden Hunden „noch nie etwas getan“, und es ist „ihr Hund schuld, denn IHRER hat ja mangelndes Sozialverhalten gezeigt“!

Mit diesen Aussagen werden Sie dann stehengelassen, und da Sie im Schock sind, können Sie auch nicht adäquat reagieren.

Wir leben mit unseren Hunden in dichtest besiedeltem Gebiet und Hunde machen nur dann etwas untereinander aus, wenn sie:

 

a) in einem Rudelverband leben (hier meine ich ein wildlebendes Rudel!)

b) wenn sie freilebend gezwungen werden, ihre Nahrungsressourcen selbst zu beschaffen 

c) die Reproduktion der Motivator ist.

 

In unserer Mitte leben unsere Hunde als reine Familienhunde, welche wir zwingen, mit vielen anderen Hunden zu interagieren und dafür braucht es klare Regeln, damit das Zusammenleben problemlos klappt:

  •  Begegne ich einem angeleinten Hund, dann sichere ich auch meinen Hund.
  •  Bei Begegnungen zwischen Groß und Klein ist der große Hund stets gesichert an der   Leine
  • Hunde begegnen sich freundlich, indem sie sich NICHT ansehen und in einem Bogen     aneinander vorbeilaufen - wir laufen deshalb NIE frontal auf einen fremden Hund zu!
  • Ist einer der Hunde nicht unter Kontrolle, so weichen wir soweit wie möglich weiträumig aus!
  • Aggression unter Hunden entsteht, wenn wir als Besitzer dies zulassen: auch wenn der fremde Hund „angefangen“ hat: lassen Sie nicht zu, daß ihr eigener Hund darauf „antwortet“, auch wenn Sie selbst das Gefühl haben, er hätte recht. Hunde kennen kein menschliches Gerechtigkeitsgefühl! Wenn SIE aufgrund IHRES vorhandenen Gerechtigkeitsgefühls zulassen, daß ihr Hund zurückknurrt und kläfft und ihn NICHT reglementieren, bedeutet das im Umkehrschluss für ihren Hund, daß SIE dieses Verhalten für richtig befinden - wundern Sie sich also bitte nicht, wenn Sie alsbald einen kleinen Macho an der Leine führen: SIE haben es ihm erlaubt!!!!

Denken Sie bitte immer daran: WIR sind für unsere Hunde verantwortlich, WIR sind sein Rudelführer  und unser Hund verlässt sich auf UNS!

Deshalb mache WIR untereinander als Menschen aus, wie wir Hundebegegnungen gestalten - und nie unsere Familienhunde…..